Das aktuelle Jahresthema "mehr oder weniger" findet sich auch in den Werken der dritten und letzten Saisonausstellung 2022 am Gut Gasteil: Mehr oder weniger Farbe, mehr oder weniger Abstraktion, mehr Emotion und weniger oberflächliche Eindeutigkeit. Ab 27. August sind farbenfroh-hintergründige Ölbilder von Nina Maron und großformatige Grafik und Malerei und korrespondierende Plastiken von Hannes Mlenek am Kunst- und Kulturort der Bildhauern Charlotte Seidl im südniederösterreichischen Prigglitz zu sehen. Dr. Silvie Aigner, Kunsthistorikerin und Chefredakteurin des Kunstmagazins Parnass, spricht zur Eröffnung über die Künstler und ihre Werke. In der ganzjährig begehbaren Kunst in der Landschaft auf dem 16 Hektar großen Wiesengrund laden neue Objekte entlang der freigemähten Wege zur Erkundung. Gutes Schuhwerk und ausreichend Zeit sind empfehlenswert.
Kunst in der Landschaft
Charlotte Seidl hat ihre neuen Serien der großen Frauenfiguren um zwei "Verhüllte" und eine "Androgyne" ergänzt und greift damit zwei aktuelle gesellschaftspolitische Themen auf. Sie stellt in ihren markanten Skulpturen auch die Eindeutigkeit verschiedener Positionen in Frage. So kann die Verhüllung sowohl Ausgrenzung aber auch eigene Abgrenzung und Schutz bedeuten und unterschiedliche Standpunkte können sehr schnell die Perspektiven ändern - wenn man es zulässt. Ebenso haben ihre "Schreitiere" heuer neue Gesellschaft bekommen und können als freundlich-vehemente Stellungnahme wie auch als Kommentar gelesen werden.
Zu unterschiedlichen Blickwinkeln laden auch die "Spirale" aus poliertem Edelstahl von Josef Baier und die beiden "Wechselblicke" aus Serpentin von Wolfram Weh ein. Je nach Standort ändern sich die Aussichten und die Ausschnitte des Gesehenen. Die Spiralform symbolisiert Bewegung, ebenso wie Kontinuität, Wiederholung in Variationen, sie ist Metapher für Leben und Wachstum, wie sie auch in der spiralförmigen DNA als Grundform des Lebens angelegt ist. Sie dient in vielen Formen der Kunst als Vorbild - in der Musik ebenso wie in der Architektur. In der Landschaft platziert, fragmentiert sie die Aussicht durch ihre geschwungenen Linien und strahlt je nach Lichteinfall hell oder kontrastiert in schattierten Grautönen den Untergrund. Wie ein riesiges Auge lenken die beiden auf Holzpflöcken aufgesetzten "Wechselblicke" von Wolfram Weh den Blick und fokussieren ihn durch die freigelassene Innenöffnung, bieten wie eine Pupille die Scharfstellung und blenden gleichzeitig das Umfeld aus. Die fein strukturierte Oberfläche bietet zur harmonischen Form der Rundungen einen spannenden Kontrast, so wie sich auch zwischen den Polen der Raum für Orientierung und Gleichgewicht befindet. Die lebendige Struktur reflektiert das Licht in der natürlichen Vielfalt.
Hannes Mlenek: Grafik & Malerei
Die überwiegend großformatigen Bilder von Hannes Mlenek sind von einem stark grafischen Charakter geprägt. Mit schwarzem Fettstift und Kohle gezeichnet, ergeben die expressiven Linien, je nach Entstehungszeit im jeweiligen Themenzyklus, mehr gegenständliche oder stärker abstrakt aufgelöste Figuren. Mleneks Austragungsort seiner Themen ist der menschliche Körper, der für ihn Manifestation von Gefühlen und Spannungen ist. Als Vorlage dient ihm dafür sein eigener Körper, den er in der kraftvollen, geradezu ikonographischen Darstellung und in nackter Verletzlichkeit ohne Rücksicht auf Grenzüberschreitungen analysiert. Oft sind es Fragmente, die dann im Mittelpunkt stehen. Die Farbe der gemalten Flächen auf dem sonst vor allem schwarzen, weißen oder grauen Bildgeschehen ist reduziert, meist auf Blau oder Rot. Rot in seinen vielfältigen Bedeutungsebenen von lebensspendend, leidenschaftlich bis zerstörerisch. Blau als Farbe der Hoffnung tritt auch in Mleneks dreidimensionalen Objekten der "blauen Kometen" in Erscheinung und soll damit den schicksalhaften Ereignissen die Angst vor der Zerstörung nehmen und einen positiven Ausblick geben.
Die Objekte nehmen mit den Bildern eine Beziehung auf und formen so den Raum, der für Mlenek einen wichtigen Bezugspunkt darstellt und dessen Bearbeitung sowohl in den ausufernden Bildgrößen als auch in den Skulpturen und Installationen handfeste Form annimmt.
Nina Maron: Malerei
In fröhlich bunten Farben und einem schablonenartigen Erscheinungsbild wie in der Pop-Art lockt Nina Maron die Betrachter in ihr ziemlich widerständiges Grundthema: Die Benachteiligung der Frauen in allen Bereichen unserer Gesellschaft - in der Wissenschaft, der Politik, im Sport, in der Kunst und in der Medizin. Mit oft pastos aufgetragener Ölfarbe auf Leinwand stellt sie ihre Protagonistinnen in mehrteiligen Bildserien unter verschiedenen Blickwinkeln, Farbsetzungen und Betonungen in den Fokus. Sie zeigt rebellierende Frauen aus der Geschichte und Frauen, die in der männlich dominierten Welt selbst für herausragende Errungenschaften wenig bis gar keine Anerkennung erhielten. Die in die Jahre gekommene Schauspielerin Audrey Hepburn steht für Maron als Symbol für die auferlegte Ästhetik der Gesellschaft, ebenso wie ihr "Supergirl", das in prächtig weiblichen Formen das Schlankheitsdiktat über den Haufen wirft. Um die Normalität dieser weiblichen Leistungen zu unterstreichen, platziert Nina Maron in ihrer aktuellen Serie die Frauen in Alltagsszenen, die sich auf jene des US-amerikanischen Malers Edward Hopper beziehen: Scheinbar trivial, kühl und einsam. Das Besondere bedarf keines glamourösen Umfelds, es findet überall statt - oft unbemerkt.
Unterstrichen wird dies noch durch die knallbunte Farbgebung. Diese Doppelbödigkeit in Nina Marons freundlich verlockenden Bildern eröffnet sich freilich erst beim zweiten Hinsehen und der eigenen Auseinandersetzung und Reflexion mit den durchaus widersprüchlichen Aspekten des Geschehens.
Biobuffet
Das Biobuffet bietet kleine Speisen vorwiegend von regionalen Betrieben, Biokaffee und Kuchen.
Kunst in der Landschaft XIII: "mehr oder weniger"
3. Saisonausstellung 2022 | Hannes Mlenek und Nina Maron
27. August - 30. Oktober 2022, Sa., So. und Feiertag 10 – 18 Uhr
Am 27. August 2022 sind die Künstler ab 16 Uhr persönlich anwesend.
Um 18 Uhr spricht die Kunsthistorikerin und Chefredakteurin des Kunstmagazins Parnass, Dr. Silvie Aigner, zur Ausstellung.
Aussenderin / Pressebetreuung: Verena Kienast, verenakienast20@gmail.com