Malerei und Grafik bilden 2022 bei jeder der drei Saisonausstellungen am Gut Gasteil ein künstlerisches Duo. Die Doppelausstellungen auf dem Kunstanwesen, das von Charlotte und Johannes Seidl 1989 in Prigglitz im südlichen Niederösterreich gegründet wurde, nehmen vom 30. April bis 30. Oktober auch das neue Jahresthema "mehr oder weniger" in vielfältiger Weise auf. Mela Diamant (zuvor Kaltenegger) übt mit ihren großflächigen Eitempera-Bildern eine poetische Zeitkritik und sie bilden einen Gegenpol zu den kleinformatigen frühen Tuschezeichnungen des im Vorjahr verstorbenen Mitbegründers von Gut Gasteil, Johannes Seidl. Die im spontanen Schaffensprozess entstehenden, geometrisch abstrakten Formen von Franco Kappl stehen mit den farblich reduzierten, mit Acrylfarbe auf Leinwand gemalten Szenenausschnitten von Astrid Esslinger in anregendem Dialog und Hannes Mleneks überdimensionale, nur noch annährend figuralen Körperbilder sind der Kontrapunkt zu Nina Marons schablonenartigen, farbintensiven meist weiblichen Protagonisten mit Tiefgang.
Malerei und Grafik der Gut Gasteil Künstler finden sich dazu ergänzend in den Galerienebenräumen. Die Kunst in der Landschaft hat im vergangenen Jahr mehrere neue Objekte erhalten und erwartet im Laufe der nächsten Monate kreative Ergänzungen. Die Wege durch die Kunst in der Landschaft sind das ganze Jahr über auf dem 14 Hektar großen Wald umsäumten Wiesenstück am Gut Gasteil frei zugänglich.
Den Saisonauftakt 2022 macht das traditionelle "full house" am 23. und 24. April, mit dem vorweihnachtlichen "full house" endet die Saison dann Anfang Dezember.
Im Biobuffet gibt es kleine Speisen aus Bioprodukten von regionalen Betrieben, Biokaffee und Kuchen.
"mehr oder weniger"
In Form, Technik und Inhalt bieten die Kunstwerke unter dem neuen Jahresthema "mehr oder weniger" unterschiedliche Denk- und Interpretationsanregungen - und die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen erweitern den Diskussionsspielraum dafür. In den Kunstwerken stehen also beispielsweise großflächig vermalte Flächen den reduzierten Linienführungen gegenüber, Farbintensität trifft auf die konzentrierte Verwendung von Schwarz und Weiß mit wenigen Farbakzenten und figurale Ausformungen bilden einen Spannungsbogen mit Abstraktion in abgestufter Ausprägung.
Die neuen Objekte der Kunst in der Landschaft des Vorjahres lassen sich bereits als Ouvertüre zum neuen Jahresthema lesen: Charlotte Seidls Frauenfiguren, die mit ihren klaren Formen ihr Persönlichkeit klar zum Ausdruck bringen, die Stein- und Metallskulpturen, wie die "2 Monolithe" von Peter Paszkiewicz, Wolfram Wehs "2 Kuben" oder Josef Baiers "Knoten", die mit ihren Obflächen zum An- und Be-Greifen einladen und Johannes Seidls "Nick" oder Anna Maria Brandstätters "3 Fahnen", die die Gedanken in ihrer sanften Bewegung mitnehmen.
"mehr oder weniger" ist freilich auch eine essenzielle Feststellung, die die Zukunft der Gesellschaft und des Lebens betrifft. Der unbedingte Wachstumsglauben mit einem Mehr ohne Alternativen scheint nun doch langsam eine Kehrtwendung zu erfahren. Weniger Konsum, weniger Umweltverschmutzung, weniger Abfall, weniger Egoismus, dafür mehr Rücksicht, mehr Miteinander - auch mehr Kunst und damit mehr Freude. Am Gut Gasteil gibt es dafür ausgezeichnete Rahmenbedingungen.
30. April - 19. Juni 2022 | Mela Diamant und Johannes Seidl
Frauen und Tiere sind die Akteure in Mela Diamants farbenreichen Bildern, die in vielschichtigem Auftrag der selbst hergestellten Eitemperafarbe auf der Leinwand in Szene gesetzt werden. Kritisch-spielerisch setzt sie sich mit deren Rolle auch in genähten Objekten und Bildern auseinander. Ihre Frauen sind selbstbewusst, stark und durchaus auch kokett, und das satte Rot, das sich in Mela Diamants Motiven konsequent in unterschiedlicher Intensität durchzieht, ist Ausdruck des Lebens und der Leidenschaft.
Zum ersten Mal sind nun Tuschezeichnungen von Johannes Seidl zu sehen, die am Beginn seiner künstlerischen Arbeit in den 1960er Jahren standen. Ein Jahr nach seinem Tod sind diese detailreich, in konzentriert-geometrischer Gestaltung wie Architektur- oder Stadtskizzen wirkenden Kleinformate zu sehen. Die bereits in diesen frühen Arbeiten markante horizontalvertikal-Ausrichtung setzte sich später in den Objekten fort, in denen er seine Faszination für technische Möglichkeiten unter dem Aspekt der Ästhetik verfolgte.
25. Juni - 21. August 2022 | Franco Kappl und Astrid Esslinger
Das schließlich dominierende Schwarz oder Weiß überdeckt bei Franco Kappls großformatigen Bildern den ersten Farbauftrag. Vom Initialimpuls ausgehend, fügt er im Schaffensprozess mit Acrylfarbe hinzu, nimmt weg, verdichtet und reduziert und lotet die Freiheit der Abstraktion mit expressivem Gestus aus. Schlichte Linien und geometrische Formen konterkarieren ausfließende Farbflächen, in den Weiß-, Grau- und Schwarzschattierungen leuchten monochrome Akzente.
Mit dynamisch schwingender Eleganz stellt Astrid Esslinger die Möglichkeiten der Wirklichkeit dar. Die individuellen oder schematisierten Akteure werden dabei oft nur als Segmente sichtbar und verweisen damit auf unsere begrenzte Wahrnehmung. Mit Acrylfarbe auf Leinwand bewegt sie sich in ihren farblich reduzierten Arbeiten zwischen figuraler Darstellung von Einzelpersonen und Personengruppen in einem oft stark abstrahierten Umfeld.
27. August - 30. Oktober 2022 | Hannes Mlenek und Nina Maron
Mit kraftvollen Fettstift- und Kohlestrichen führt Hannes Mlenek in sein sinnlich-analytisches Bilduniversum. In der reflexiven Beschäftigung mit dem menschlichen Körper entstehen großformatig gezeichnete Linien, die die Körperlichkeit in zunehmender Abstraktion auflösen. Bei intensiverer Betrachtung offenbaren sich die Fragmente und knüpfen ein spannungsgeladenes Netz. Weiß-, Grau- und Schwarztöne dominieren auf der weißen Leinwand, die mit Acrylfarbe sparsame Farbakzente in Blau- oder Rotvariationen erhält.
Frauenfiguren der Geschichte treten bei Nina Maron häufig in den Mittelpunkt ihrer Bilder, deren fröhlich-bunter Ersteindruck den Betrachter durchaus in die Irre führen. Rebellinnen und Pionierinnen oder auch Symbole der Weiblichkeit, die es zu entschlüsseln gilt sollen zur kritischen Reflexion mit gesellschaftlichen Problemen anregen. Klischees in schablonenartig gemalten und vielfach variierten Motiven sind Gegenstand und Instrument gleichermaßen, um zu irritieren und Bekanntes zu hinterfragen.
Der nächste Termin: "full house" am 23. und 24. April 2022, 10 bis 18 Uhr
Gut Gasteil, Charlotte Seidl, Gasteil 1, 2640 Prigglitz
Tel 02662/45 633, seidl@gutgasteil.at , www.gutgasteil.at
Aussenderin / Pressebetreuung: Verena Kienast, verenakienast20@gmail.com