Das Stift Klosterneuburg eröffnet 2008 einen neuen Besucherzugang und damit verbunden rundum erneuerte Museumsräumlichkeiten. Als Startschuss für die Planungen beschäftigte sich am 23. Juni 2004 eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde im Binderstadl des Stiftes unter der Moderation von Mag. Christine Haupt-Stummer (Kulturinitiative Schnittpunkt) mit Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen: Wie schafft ein Museum den Spagat zwischen Bildungsauftrag und Eventkultur, zwischen ernsthafter Inhaltsvermittlung und szenografischem Erlebnisparcours, zwischen kulturhistorischem Tiefgang und oberflächlicher Kommerzialisierung, zwischen kleinem Fachpublikum und dichter Besucherfrequenz, zwischen authentischer Identität und touristischen Bedürfnissen?
Das überaus große Publikumsinteresse zeigte, wie brennend die Frage für alle, die im Museumswesen im weitesten Sinn tätig sind, ist. Einen besonderen Anziehungspunkt bildete natürlich die Besichtigung des zukünftigen Entrées, der unvollendeten barocken Sala terrena mit den gewaltigen Atlantenfiguren von Lorenzo Mattielli, vor Beginn der Diskussion.
Dr. Monika Sommer, Museologin am Wien Museum Karlsplatz betonte die politische Komponente eines Museums. Sie sieht das Vermitteln als zentrale Aufgabe. Wissenschaft, die nicht vermittelt wird, besitzt keine gesellschaftliche Relevanz. Sammlungen vermitteln sich aber nicht von selbst. Das gleiche Objekt kann zu unterschiedlichen Zeiten mit ganz unterschiedlichen Bedeutungen belegt werden. Bei Stiftsmuseen, die keinen politischen Träger hinter sich haben, ortet sie größeren Spielraum bei der Gestaltung der Inhalte, sie könnten zu "kulturrevolutionären Institutionen" werden und sollten diesen Freiraum ausnützen.
Für den Architekten Erich Bernard (bwm Architekten), der sowohl im Bereich Geschäfts- als auch Museums- und Ausstellungsarchitektur tätig ist, ist das ideale Museum ein Ort der Konzentration. Viele Museen suchen heutzutage ihr Heil in der Organisation von Events. Die Aura des Originals ist aber durch nichts zu ersetzen. Er meint auch, die Zukunft des Museums liege in der Konzentration auf das Objekt, die Events qualifizierte er als derzeitige Modeerscheinung, die ihren Höhepunkt wohl schon überschritten hat.
Dr. Michael Braunsteiner, Direktor der Museen Stift Admont, kann auf sehr aktuelle praktische Erfahrungen beim Neuaufbau eines Stiftsmuseums verweisen. Wichtig findet er klare Aufgabenverteilung und gesicherte Finanzierung, sowie die Rückenstärkung des Museumsprojektteams durch den Konvent, ohne dass dieser versucht sich in Details einzumengen. In Admont wären alle diese Voraussetzungen geradezu idealtypisch gegeben gewesen. Besonderes Aufsehen im Rahmen der Museen im Stift erregt die neu aufgebaute Sammlung an Gegenwartskunst. Die Admonter Mönche sehen sich als "Zukunftsmönche", die daher auch an "Zukunftskunst" also an der zeitgenössischen Kunst interessiert sind und so den Aufbau einer zeitgenössischen Sammlung als natürliche Ergänzung zu den gewachsenen historischen Stiftssammlungen ansehen. Von Anfang an war nicht daran gedacht, mit dem Museum Gewinne zu erwirtschaften, obwohl sehr ehrgeizige Besucherzahlen angestrebt werden. In Admont ist man sich vollkommen dessen bewusst, dass Kultur Geld kostet.
Dr. Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums mahnte, in dieser Diskussion die Wissenschaft nicht zu vergessen, sei sie doch die Basis jeglicher Museumsarbeit. Der Sammlungsbestand sei der Ausgangspunkt aller Überlegungen, der Katalog das, was von einer Ausstellung bleibt, auch wenn diese schon längst wieder abgebaut ist. Ganz im Gegensatz zu vorher geäußerten Meinungen meinte er: Die Objekte sind sich selbst genug! Dass die Wissenschaft immer Gefahr läuft, auf der Strecke zu bleiben, bestätige Dr. Braunsteiner, in dem er sagte, Freiraum und finanzielle Mittel für wissenschaftliches Arbeiten sei selbst in Admont immer das Produkt hartnäckiger Überzeugungsarbeit.
Die Soziologin Mag. Susanne Ortner von der Uni Linz hat sich mit der Nachhaltigkeit von Landesausstellungen am Beispiel der Oberösterreichischen Landesausstellungen beschäftigt. Sie konnte in ihren Untersuchungen feststellen, dass geradezu manisch an der Besucherzahl als einziger Maßzahl für den Erfolg oder Nichterfolg einer Ausstellung oder eines Museums festgehalten wird. Die Erfüllung der klassischen Museumsaufgabe "Bewahren" sieht sie aber als ebenso wichtiges Erfolgskriterium an. Auch die Identität stiftende Rolle eines Museums für die lokale Bevölkerung sei nicht zu unterschätzen. Untersuchungen zeigen, dass die allermeisten Besucher eine Ausstellung oder ein Museum sehr bewusst konsumieren, sich mit den gebotenen Inhalten sehr intensiv auseinandersetzen, sich aber längerfristig nur sehr wenig davon merken. Als Museum der Zukunft wünscht sie sich ein "Erlebnismuseum".
Daran anknüpfend vertrat Mag. Susanne Kraus-Winkler (Agentur Kohl + Partner) den Standpunkt des Tourismus. Ein modernes Museum muss im Besucher Gefühle erzeugen (dann bleibt auch etwas hängen bei den Leuten) sowie alle Dienstleistungsansprüche des modernen Menschen erfüllen. Das ist mindestens so wichtig wie die Präsentation der Sammlung. Unzureichende Infrastruktur kann den hochkarätigsten Sammlungsbestand nicht aufwiegen und wird beim Besucher Unzufriedenheit hinterlassen. Niederösterreich besitzt aus Sicht der Touristikerin ein sehr großes kulturelles Angebot, das nicht entsprechend vermarktbar ist, da es aus zu vielen kleinen Museen besteht.
Von Stiftskustos DDr. Floridus Röhrig wurde der religiöse Aspekt eingemahnt, der bis dahin unerwähnt blieb und der seiner Meinung nach konstituierendes Element eines kirchlichen Museums, wie des Stiftsmuseums sein muss.
Als Schlusswort formulierte der Propst des Stiftes Klosterneuburg, Prälat Bernhard Backovsky, was er sich von einem neu gestalteten Stiftsmuseum erwartet: Man muss die Leute in einer Sprache ansprechen, die sie verstehen, also wissenschaftliche Inhalte in klarer, verständlicher Form, eine moderne Präsentation (denn auch in der Seelsorge kann man die Leute nicht mehr mit den gleichen Mitteln ansprechen wie vor 20 Jahren), und ein nachvollziehbarer roter Faden, der sich durch den gesamten Besuchsbereich zieht. Die Diskussion wird zweifelsohne weitergehen.
Abschließend kann man sagen, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte von allen Diskutanten die Begriffe Authentizität und Wahrhaftigkeit betont wurden. Alle waren sich einig, dass ein Museum sich seiner eigenen unverwechselbaren Identität bewusst sein muss und gezielt die Zielgruppen ansprechen muss, die dieser Identität am besten entsprechen.
Wer geglaubt hatte, auf komplexe Fragen, einfache, kochrezeptartige Lösungen präsentiert zu bekommen, wurde naturgemäß enttäuscht.
Weitere Informationen: Stift Klosterneuburg, Nicole Fleissner, Abteilung Kultur Tourismus Marketing, Stiftsplatz 1; A-3400 Klosterneuburg; Tel. 02243/ 411-254/ Fax: DW 299, mailto:n.fleissner@stift-klosterneuburg.at , http://www.stift-klosterneuburg.at .