Das junge Festival für interdisziplinäre Kunst im Wienerwald
Kunst * Performance * Tanz * Musik
Orte: Landhaus Eva&Peter Maria Anzbach * KunstTank 3034 Neulengbach
„Eine andere Zukunft denken“ / Über Utopien und Dystopien
Künstlerischer Wandertag in zwei Stationen
Wir brauchen neue Utopien
„Wenn es denn Aussicht auf Zukunft geben soll, so brauchen wir (neue) Utopien“, so Eva Brenner, die das SCHIELE fest NÖ vor 20 Jahren ins Leben gerufen hat und es seitdem leitet. Die Theaterschaffende und Aktivistin, die ihr Handwerk bei dem Begründer der neuen wissenschaftlichen Disziplin Performance Studies und Herausgeber der Zeitschrift „The Drama Review“ Richard Schechner in New York gelernt hat, etablierte in Niederösterreich ein qualitätsvolles Festival, das sich mit Egon Schiele jenseits nostalgischer oder touristischer Ansätze beschäftigt und damit Erfolg hat. Seit 20 Jahren reüssiert das Festival als offener Reflexionsraum zu ausgewählten Schiele Bildern, wobei interdisziplinäre KünstlerInnen und WissenschafterInnen für ein/zwei Tage in der Landschaft, wo er lebte und arbeitete, zusammenkommen und sich im intimen Rahmen von Künstlerateliers dem Einfluss seines monumentalen Werks auf die zeitgenössische Kunst/den Gegenwartsdiskurs zu widmen. Namhafte KünstlerInnen und WissenschafterInnen widmen sich einem ausgewählten Werk aus zeitgenössischer Perspektive, um zeitgenössische künstlerische sowie gesellschaftliche Entwicklungen zu betrachten.
Das 20-jährige Jubiläum
Im Jahr 2021 stellt sich das SCHIELE fest 2021 der Frage nach Äquivalenzen und Differenzen zwischen utopischen und dystopischen Aspekten in Schieles Werk – den großen Hoffnungen und Ängsten einer Zeit, die geprägt war von großen Entdeckungen und Aufbrüchen in Kunst, Wissenschaft und Politik. Man kann weit in die Frühphase der Wiener Moderne zurückgehen, um die Entstehung von Schieles expressiver Formensprache, die sich zu avantgardistischen Experimenten wie der Architektur eines Adolf Loos (1883–1950) verhalten, zu studieren und die fernen Nachwirkungen zu untersuchen, ohne die Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst nach 1945 undenkbar wären. Einem Rückblick auf zwei Jahrzehnte fruchtbarer gemeinsamer Arbeit stehen visionäre Utopien einer postpandemischen Zukunft gegenüber. Somit führt das Jubiläumsjahr wesentliche thematische Stränge – Liebe, Sexualität, Tod, Aufbruch und Untergang, Ausgrenzung und Widerstand – zusammen und stellt die Frage nach unserer gemeinsamen Zukunft. Dabei werden Schieles „Utopien“ – seine radikale Sicht auf alles Lebendige – im Licht gegenwärtiger Umbrüche beleuchtet.
Eine andere Zukunft denken
Tatsächlich geht es um die Notwendigkeit eines fundamentalen Neuentwurfs unserer Welt, unseres Wirtschaftens, unserer Kultur/en und unseres Alltagslebens. Es gilt neue Pläne zu schmieden, Visionen zu entwerfen, die Lust auf Neues machen, die Mut und Zuversicht spenden, die Menschen zusammenführen. Landauf landab herrscht angesichts der Pandemie große Unruhe, Unsicherheit, Angst vor der Zukunft. Neben dem „Prinzip Hoffnung“ steht die Suche nach künstlerischen Formen, die dem Aufruf nach einer Rettung vor der drohenden Katastrophe Gestalt geben. Diese Dissonanzen sollen im Symposium aus kultur/wissenschaftlicher Sicht untersucht werden.
Paradigmatisch für das Thema kann das weitgehend unentdeckte Werk der dichtenden Feministin und Ehefrau von Adolf Loos, Lina Loos, betrachtet werden, deren Kurzdrama „Wie man wird, was man ist“ im Festival aufgeführt wird. So wie sie erprobten frühe Feministinnen den Ruf nach weiblicher Emanzipation, nach neuen Lebens- und Arbeitsmodellen und neuen Geschlechterverhältnissen.
Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.
- Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Vorwort
Wem heute nach Utopie verlangt, der landet fast unausweichlich bei den Dystopien: deren Laden ist reichlich gefüllt, während das Geschäft daneben mit den Utopien in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts zugesperrt hat. Das Geschäft scheint seither leer zu stehen - Leander Kaiser
Das Streben nach neuen künstlerischen Visionen, Formen, Farben und Arbeitsweisen geht immer auch einher mit sozialen Forderungen, politischen Umbrüchen und der Suche nach alternativen Lebens- und Wahrnehmungsformen, wie sie sich beispielsweise in der Lebensreformbewegung der vorletzten Jahrhundertwende äußerten. - Eva Brenner
Utopie „Ewiges Kind“
Nicht nur heute repräsentieren Greta und die Ihren unsere Hoffnung auf Zukunft. Jugend steht seit dem „Jugendstil“ für Zukunft, markiert das „Prinzip Hoffnung“ schlechthin. Es mag auf ersten Blick verwundern, dass gerade im Jubiläumsjahr ein kleines Bild inspirierend wurde, das in der Schiele-Rezeption wenig beachtet wird. „Kind mit Nimbus auf einer Blumenwiese“ entstand 1909, zu einem Zeitpunkt, an dem sich Schieles eigener Stil zu entfalten begann, er sich vom Jugendstil eines Gustav Klimts loslöste. Im Bloch’schen Sinne manifestiert sich in dem Bild eine konkrete Möglichkeit. Die Welt wird fragil, gefährdet, aus der Balance geraten erfahren – und die Kunst formuliert ihre utopische Seite.
Als Individuum steht das Kind isoliert in der Wiese, es scheint in sich zu ruhen, trägt einen Heiligenschein. Doch in seiner berührenden Schlichtheit evoziert es eine Befindlichkeit, die der desparaten Stimmung, die von großer Ungewissheit geprägt ist, die dem Lebensgefühl vieler Menschen heute entsprechen mag. Schiele erkannte Kinder und junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden als geistesverwandt. Androgyne Darstellungen von Schieles Jugend- und Kinderfiguren spiegeln die sexuelle Ambivalenz des noch jungen Künstlers – auch das ein utopisches Element seines Protests gegen gesellschaftliche Tabus und herkömmliche Geschlechterrollen. Wir fragen: in welcher Gesellschaft wollen wir leben – und welche Kunst brauchen wir, die imstande ist, Visionen einer anderen, besseren Zukunft auf die Sprünge zu helfen?
ICH EWIGES KIND, ich brachte Opfer anderen, denen, die mich erbarmten, denen, die weitweg waren oder mich Sehenden nicht sahen. Ich brachte Gaben, schickte Augen und flimmernde Zitterluft ihnen entgegen. ich streute ihnen überwindbare Wege vor – […] O lebhafte Lebende! – Wo die Lebenden sind? Kein Geschäft. Alle Staaten bergen wenig Lebende. – Selbstsein! – Selbstsein! – Egon Schiele, (6. Jänner 1911)
PROGRAMM
Künstlerischer Wandertag in 2 Stationen
Station 1: Landhaus Peter&Eva Neulengbach, Großraßbergstraße 22, 3034 Maria Anzbach
11h Empfang Frühstück | Begrüßung Dr. Eva Brenner: 20 Jahre Schiele fest NÖ
12-15 Uhr Symposium: „Eine andere Zukunft“
Kurator/Moderator: Dr. Leander Kaiser
TeilnehmerInnen: Dr. Lisa Fischer, Dr. Annemarie Klinger, Lydia Mischkulnig, Dr. Franz Schandl | Lesung aus Schiele Gedichten: Eva Brenner & Evgenia Stavropoulou
15 Uhr Kaffepause | Transfer zum TANK.3040.AT
Station 2: Tank.3040.AT, Schubertstraße 9, 3040 Neulengbach
16.30 Uhr Performance Lina Loos „Wie man wird, was man ist“
mit Evgenia Stavropoulou (GR); Erzählerin: Eva Brenner
Regie: Eva Brenner Musik: Fanya de Stella
17.30 Uhr Ausstellung Karin Frank, „ICH ist DIE Andere“
„THE PING OF DEATH - Absturz ins Futur“ Videoprojektionen Graf+Zyx
Kurator/Einführung: Leander Kaiser
Ab 19 Uhr Gemütlicher Ausklang
Gratis Shuttlebus zwischen den Stationen | Eintritt: Freie Spende (15 Euro+)
KünstlerInnen, Vortragende, Team (u.a.): David Borja (EC), (A), Eva Brenner (A/USA), Lisa Fischer (A), Karin Frank (A), Graf+Zyx (A), Erich Heyduck (A), Leander Kaiser (A), Annemarie Klinger (A), Lydia Mischkulnig (A), Andrea Munninger (A), Franz Schandl (A), Evgenia Stavropoulou (GR), Fanya de Stella (BUL), u.a. Künstlerische Gesamtleitung: Dr. Eva Brenner (A/USA)
Aussender / Veranstalter: PRO & CONTRA – Verein für interkulturelle Aktivitäten Austraße 44, 3040 Neulengbach, Tel 0699/199 00 952, office@experimentaltheater.com , www.schielefest.org