Unter der Regie von Josef Newerkla erlebt Christoph Stich als „Jedermann“ am Brandlhof sein unaufhaltsames Ende.
Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes
Die deutschen Hausmärchen, pflegt man zu sagen, haben keinen Verfasser. Sie wurden von Mund zu Mund weitergetragen, bis am Ende langer Zeiten, als Gefahr war, sie könnten vergessen werden oder durch Abänderungen und Zutaten ihr wahres Gesicht verlieren, zwei Männer sie endgültig aufschrieben. Als ein solches Märchen mag man auch die Geschichte von Jedermanns Ladung vor Gottes Richterstuhl ansehen. Man hat sie das Mittelalter hindurch an vielen Orten in vielen Fassungen erzählt; dann erzählte sie ein Engländer des fünfzehnten Jahrhunderts in der Weise, dass er die einzelnen Gestalten lebendig auf eine Bühne treten ließ, jeder die ihr gemäßen Reden in den Mund legte und so die ganze Erzählung unter die Gestalten aufteilte. Diesem folgte ein Niederländer, dann gelehrte Deutsche, die sich der lateinischen oder der griechischen Sprache zu dem gleichen Werk bedienten. Ihrer einem schrieb Hans Sachs seine Komödie vom sterbenden reichen Mann nach. Alle diese Aufschreibungen stehen nicht in jenem Besitz, den man als den lebendigen des deutschen Volkes bezeichnen kann, sondern sie treiben im toten Wasser des gelehrten Besitzstandes. Darum wurde hier versucht, dieses allen Zeiten gehörige und allgemeingültige Märchen abermals in Bescheidenheit aufzuzeichnen. Vielleicht geschieht es zum letzten Mal, vielleicht muss es später durch den Zugehörigen einer künftigen Zeit noch einmal geschehen. Hugo von Hofmannsthal
Im Kern stellt der Jedermann die Frage: Was passiert, wenn der Tod in das Leben tritt? Der Tod ist in unserer Kultur so sehr verdrängt wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. In diesem Jahr ist uns allen besonders bewusst geworden, wie schnell unser Leben ganz anders aussehen kann, wie plötzlich alle unsere Pläne über den Haufen geworfen werden. Wir brauchen Gemeinschaft und Kunst, um uns als Gesellschaft zu entwickeln, besonders in schwierigen Zeiten. Was Jedermann zu allen Zeiten war und ist: ein Stück für die Menschen, die im Publikum sitzen und sich fragen, wie denke ich in meiner Zeit über mein Schicksal nach. Mit der Figur des Jedermann, die Hofmannsthal auf den reichen Mann zugeschnitten hat, spezifiziert er diesen Menschen. So wird sein Jedermann zum „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Trotz dieser Definition steht Jedermann für alle Menschen, wobei es dem Hofmannsthal’schen Jedermann besonders schwerfällt, sich vom Weltlichen zu trennen. Das ist die Zuspitzung.
Weitere Termine: 8., 13., 14. u. 15., 20., 21. und 22. August, 19.30 Uhr, Brandlhof, Radlbrunn, Schlechtwetter: Dorfzentrum, www.buehne-weinviertel.at
Aussender: Christoph Stich, Bühne Weinviertel, Tel 0676/371 48 22, c.stich@buehne-weinviertel.at , www.buehne-weinviertel.at